(2018)
Masterthesis. Denkmalpflege und Baugeschichte. Bauhaus-Universität Weimar.


Im Rahmen der europäischen Leitmesse denkmal widmete sich die Messeakademie 2018 als deutschlandweiter studentischer Architekturwettbewerb dem Thema „Entwerfen im historischen Umfeld – Altbau.Umbau.Neubau.“ Gesucht wurden überzeugende Konzepte und Lösungen zur Nutzung wertvoller denkmalgeschützter Bausubstanz. Infolge von Rationalisierung und Konzentration, aber auch auf Grund der Verlagerung von Textilproduktionen ins Ausland, insbesondere Ostasien, sind in den letzten Jahrzehnten viele Betriebe in Deutschland stillgelegt worden. In hoher Zahl haben Betriebs- und Produktionsgebäude ihre Funktion verloren. So auch die ehemalige Textilfabrik „Ernst Engländer AG“, zuletzt „Greika Werk IV“ (Greizer Kammgarn) in Berga/Elster.

Das Projekt Elsterfisch ging für die Textilfabrik als Gewinner des Wettbewerbs hervor! 


Nutzungskonzept

Die Attraktivität des Standortes wird gestärkt durch ein innovatives Nutzungskonzept aus der Symbiose von biologischer Nahrungsproduktion in einer Aquaponik-Farm und einem Hotel als Anlaufpunkt für Erholungs- und Aktivurlauber.  Ein Restaurant mit Café und Bar koppelt das Hotel mit der Aquaponik-Farm und verarbeitet deren hochwertige Produkte.

Die Aquaponik-Farm ihrerseits ist an den Elsterfisch Store geknüpft. Der Elsterfisch Store als exklusiver Verkaufsraum von Gemüse und Fisch aus der Farm adressiert sich an Touristen und Einheimische, welche großen Wert auf eine gesunde, biologische Ernährung legen. Vor dem Store soll einmal wöchentlich ein Markt stattfinden, auf dem auch Händler aus der Region verkaufen können. Dadurch soll der Tagestourismus in Berga zusätzlich gefördert werden.

Eine Aquaponik-Farm eignet sich hervorragend für die Nutzung großer Industriebrachen, da sie Ressourcen schont und in mehreren Bauphasen skalierbar ist. Aquaponik und Hotel als scheinbar gegensätzliche Nutzungen unterstützen sich finanziell und werden durch den Markt ergänzt. Das Hotel wird als Ziel und Landmarke überregional vermarktet.




Elsterfisch Store und Restaurant

Der Verkauf findet im Elsterfisch Store sowie über das Restaurant statt. Dort können die Gäste über eine gläserne Schauküche die Abläufe vom Anbau bzw. von der Zucht bis auf den Teller verfolgen. So soll ein Bewusstsein für die einmalige Wertschöpfungskette einer Aquaponik-Farm geschaffen werden. Die Gäste werden für die Bedeutung gesunder Lebensmittel sensibilisiert.


Aquaponik

Die Aquaponik ist eine moderne Form der Landwirtschaft mit geschlossenem Nährstoffkreislauf. Das Ammonium aus den Ausscheidungen der Fische wird durch Bakterien in einem Bio-Reaktor nitrifiziert. Das an Kohlendioxid und Nitrat reiche Wasser wird den Pflanzen der Hydroponik zugeführt. Dazu werden verschiedene technische Anlagen zur Steuerung und Filterung eingesetzt. Die Hydroponik benötigt etwa 3/4 der Gesamtfläche einer Aquaponik. Haben die Pflanzen die Nährstoffe herausgefiltert, wird das Wasser mit Sauerstoff versetzt und fließt in die Fischbecken zurück.

Die Aquaponik ist als „Landwirtschaft 2.0“ zu verstehen, da sie sich von traditionellen Anbauformen grundlegend unterscheidet und eine künstliche Symbiose zwischen schafft. Als Antwort auf die heutige Ressourcenknappheit ist sie zudem sehr effizient: 1 kg Fisch benötigt lediglich 100 l Wasser (zum Vergleich: 1 kg Rindfleisch benötigt 15.000 l Wasser). Über die Pflanzen verdunstendes Wasser wird durch Kühlfallen dem System zurückgeführt. Da die Farm als Gewächshaus in der Halle fungiert und strenge Hygienevorschriften eingehalten werden, sind keine Pestizide oder Medikamente notwendig. Die regelmäßige Sichtkontrolle der Fische genügt, um kranke Tiere frühzeitig zu erkennen. Geeignete Fischarten sind der Nil-Tilapia (Oreochromis niloticus) oder der Flussbarsch (Perca fluviatilis), zwei robuste anpassungsfähige Süßwasser-Barsche. Eine optimale Besatzdichte in den Becken gewährleistet, dass die Fische nicht gestresst sind.

Die Pflanzen werden in Rinnen auf einem faserigen Substrat angezogen, sodass die Wurzeln in die Nährlösung hängen. Sensoren überwachen die Nährstoffgehalte und Mischsysteme sind in der Lage, die Zusammensetzung der Lösung den Pflanzenarten entsprechend pro Pflanztisch anzupassen. Es können über 100 Arten in einer Hydroponik gezüchtet werden: Zierpflanzen, Kräuter, Gemüse und Obst sind möglich. Besonders beliebt sind Tomaten, Paprika und Basilikum.



Hotel und Hostel

Durch den Radtourismus kommt es gelegentlich vor, dass größere Gruppen im Hotel übernachten, etwa durch Trainingslager oder ähnliche Gruppenausflüge. Hotel und Hostel werden nicht explizit getrennt, um einen „zwei Klassen“-Eindruck zu vermeiden. Schlafsäle, Zimmer und Suiten sind auf allen Geschossen angeordnet. Insgesamt verfügt das Hotel über 77 Betten, verteilt auf 23 Doppelzimmer, ein Einzelzimmer, vier Suiten und fünf 4-Bett-Schlafsäle. So können Übernachtungen in drei Preisstufen angeboten werden. Nahezu alle Zimmer verfügen über großzügig geschnittene Tageslicht-Bäder. Eine Saunalandschaft im 3. Obergeschoss des Altbaus rundet das Entspannungs-Angebot ab. Im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes befindet sich ein Veranstaltungsbereich, der für Hochzeiten, Märkte und Ausstellungen genutzt werden kann. Der wöchentliche Markt findet entweder im Hof, im Winter auch in diesem Bereich statt. Ebenerdig im Verwaltungsgebäude ist eine Fahrradwerkstatt, geparkt wird im straßenseitigen, halbunterirdischen Riegel und im Südflügel.

Die gesamte Anlage mit Aquaponik, Restaurant, Store und Hotel wird rund 25 Mitarbeiter beschäftigen.



Elsterradweg

Durch Berga verläuft der Elsterradweg, ein gut ausgebauter 250 km langer Radfernweg vom tschechischen Aš über Gera und Leipzig bis zur Mündung der Weißen Elster in die Saale bei Halle. In Neumühle kreuzt dieser den Euregio Egrensis Radweg, welcher südlich von Greiz den Göltzschtalradweg aufnimmt. Berga liegt zudem auch entlang des 72 km langen Elsterperlenwegs, einem qualitätsgeprüften Rundwanderweg. Dieses touristische Potential gilt es auszuschöpfen und die Textilfabrik zu einem Ziel für Ausflüge bzw. als unverzichtbares Etappenziel einer Tour zu entwickeln. Zwischen Greiz und Gera existieren bislang wenige architektonische Sehenswürdigkeiten.



Aquaponik und Radsport

Die Muskelproteinsynthese ist für die Regeneration nach größeren Belastungen im Radsport unabdingbar. Vor dem Schlafengehen ist langsam verdauliches Protein wie Fischeiweiß die richtige Wahl, um den Körper über Nacht zu versorgen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Erwachsenen, 0,8 g/kg Körpergewicht pro Tag aufzunehmen. Im Radsport werden 1,8 bis 2 g empfohlen. 100 g gekochter Barsch enthalten 21 g Protein.



Konstruktion und Material

Die Neubauten, welche in ihren Höhen zwischen dem Verwaltungsgebäude und der Halle bzw. der westlichen Ansteigung vermitteln, setzen sich durch ihre klare Optik und dezente Materialität vom Bestand respektvoll ab und werden ebenerdig über pavillon-artige Volumen mit der vorhandenen Substanz verbunden.

Das Hotel mit dem Fokus auf Aktiv- und Erholungsurlauber erhält durch Holzoberflächen eine Materialität, die dem Bezug zur Natur gerecht wird. Holz spricht in seiner weitgehend unbehandelten Form alle Sinne an und wirkt auf den menschlichen Geist beruhigend. Der Geruch von Wald durch die ausdünstenden Harze, die lebhaften Maserungen, die angenehme Haptik und antibakterielle Eigenschaften sind ideal für das Interieur der Hotelräume.

Für tragende Bauteile werden Brettsperrholz-Paneele und Leimholz-Rahmen aus Nadelhölzern verwendet. Für flächige Bauteile, etwa die Zwischenräume der Rahmen, sind massive Einschichtplatten vorgesehen. Die äußere Beplankung aus Lärchenholz vergraut natürlich und bedarf keines weiteren Holzschutzes. Es gibt keinen Dachüberstand, sodass eine gleichmäßige Vergrauung gewährleistet ist. Die so erzielte Farbveränderung lässt die Neubauten über mehrere Jahre hinweg weiter in den Hintergrund treten und hat einen einmaligen Charme. Zur Dämmung werden Hanf- und Holzfaserplatten eingesetzt. Kombiniert werden die Holzoberflächen, wo erforderlich oder durch den Bestand diktiert, mit Kalkputz und Beton in hoher Sichtqualität.




Masterthesis - Publikation





Masterthesis (55 MB)

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